2009-02-24
Wolodymyr Iwanow, Genf, Oktober 2008
Der Bildhauer Wolodymyr Iwanow ist eigentlich ukrainischer Staatsbürger, doch in Wirklichkeit ist er ein Kosmopolit, der unterwegs in der Welt zu Hause ist.
- Wolodymyr, wann haben Sie zum ersten Mal gemerkt, dass Sie ein künstlerisches Talent haben?
- Ich weiß nicht, ob ich gleich als Kind schon mein Talent entdeckt habe, aber ich begann bereits mit drei Jahren zu formen. Ich war oft krank – nichts Schlimmes, ganz normale Erkältungen – also musste ich oft zu Hause bleiben, langweilte mich, und um mich irgendwie zu unterhalten, beschäftigte ich mich viel mit bunter Knete. Besonders gern modellierte ich Pferde mit Rittern in voller Rüstung, deren kleinsten Details sogar an Metalldrähten festgemacht werden mussten, weil solche winzigen Einzelteile sonst nicht zusammenhielten. Als ich dann größer wurde, stand ich auf dem Scheideweg: Sollte ich mich beruflich für Pferdezucht und für den Pferdesport entscheiden oder doch ein professioneller Künstler werden? Anfangs entschied ich mich für das erstere und fuhr mit 15 Jahren nach Kuban, obwohl ich in Kiew geboren und großgeworden war. Dort ging ich in eine Fachschule für Pferdezucht. Nach einem Jahr Studium habe ich aber begriffen, dass alles, was mich an Pferden interessierte, mir längst bekannt war, weil ich schon alles Mögliche dazu gelesen hatte. Deswegen bin ich nach einem Jahr zurückgekehrt und habe mich an einer Kunstfachschule einschreiben lassen. Dort habe ich das Grundlagenwissen bekommen, die Arbeitsdisziplin und den Umgang mit der Kreativität gelernt. Danach bin ich nach Moskau in die Stroganow Kunstfachhochschule gekommen.
- Wieso sind Sie danach nicht in Moskau geblieben?
- Das hatte ich auch nicht vor. Ich musste Wehrdienst an der Wolga leisten, und dann bin ich nach Kiew zurück. Man hat mir eine Stelle am Institut für Elektroschweißung angeboten, weil sie dort auf meine Diplomarbeit aufmerksam geworden sind: Medaillenserie, die den Absolventen der Kiewo-Mogiljanska Akademie gewidmet war. In diesem Institut arbeitete ich vor allem an den Souvenirs, bis mir eines Tages einfiel, dass die Metalldrähte, mit denen ich als Kind meine gekneteten Pferde zusammenhielt, zu Kunstobjekten gemacht werden können. So bin ich auf die Technik gekommen, mit der ich jetzt arbeite.
- Wie sieht sie konkret aus?
- Am Anfang entsteht der Entwurf der nächsten Skulptur in meinem Kopf. Ich zeichne ihn dann auf. Eine solche Zeichnung hat meistens sehr viele kleine Details, und sie soll dann eins zu eins umgesetzt werden. Deswegen ist es um so leichter später mit Metall zu arbeiten, je genauer alle Einzelheiten vorgezeichnet worden waren. Dann also werden alle Einzelteile aus Metall geschnitten und mittels elektrischen Schweißens zusammengeführt.
- Wie viel Zeit braucht die Entstehung einer solchen Skulptur?
- Das Murphy-Gesetz besagt: Eine Arbeit nimmt genau so viel Zeit in Anspruch, wie viel dafür nötig ist. Deswegen gibt es auch Sachen, die in einem Monat entstanden sind, aber auch Arbeiten, die ich als Entwurf seit 15 Jahren in meinem Kopf habe, und die sind immer noch nicht fertig.
- Wann ist man auf Ihre Arbeiten im Ausland aufmerksam geworden?
- Das erste Mal habe ich meine Arbeiten im Rahmen der ukrainischen Kulturtage in Deutschland Anfang der 90er Jahre gezeigt. Ich habe viel Zeit dort verbracht, habe dort studiert, dann gearbeitet und immer wieder Ausstellungen gehabt. Später habe ich Freunde, Partner und Auftraggeber in Irland kennengelernt, bin Mitglied des Künstlerverbandes Irlands und der Gesellschaft irischer Bildhauer geworden. Die größte Privatsammlung meiner Werke besitzt die irische Schriftstellerin Anne McCaffrey. Danach bin ich mit meinen Arbeiten durch ganz Amerika kreuz und quer gereist, und sie hatten Erfolg beim Publikum. Vor kurzem haben der bekannte russische Musikkritiker Artjom Troizkij und der amerikanische Schauspieler John Malkovich meine Skulpturen gekauft.
- Bei ihren Skulpturen steht es geschrieben „Man darf sie anfassen“. Das unterscheidet sie von den üblichen Schrifttafeln.
- Meine Arbeiten unterscheiden sich sehr von den gewöhnlichen Skulpturen. Ich benutze nur ukrainisches Material und ukrainische Techniken in der Bildhauerei. Den Stahl von Donezk, rostbeständigen Stahl aus Saporoschje, das Paton-Schweißen. Meine Arbeiten darf man anfassen, weil ich denke, dass ihr Metall warm ist und man seine Seele damit wärmen kann.
- Ich sehe einen Ring an ihrem Finger...
- Vor fünf Jahren habe ich mit meinem Wagen eine Frau mitgenommen: Sie hatte es eilig und wartete auf ein Taxi. Seltsamerweise musste es sich herausstellen, dass wir im selben Haus am Klowski Spusk großgeworden sind, nur war sie 12 oder 13 Jahre nach mir dran. Und nun haben wir eine kleine Prinzessin Veronika, sie ist 4.
Tetjana Klutschko